Familienbesuch in der Alp-Käserei

  1. Besuch in der Alp-Käserei
  2. Die Jahreszeit der Alp-Käserei
  3. Eine App für das Freiburger Patois
  4. Ein unvergesslicher Besuch in der Alp-Käserei
  5. Doppelrahm im Käserei-Kübeli
  6. Käserei-Rezept für einen Gruyère d’Alpage AOP

Besuch in der Alp-Käserei

Nebst einer Alp-Käserei betreiben Eliane und Jacques Murith ein Bed and Breakfast. Hier, am Fusse von Schloss Gruyères, lässt es sich gut ein paar Tage verweilen. Sei es, um durch die malerische Umgebung zu bummeln, in den Freiburger Voralpen zu kraxeln oder beim Alp-Chalet der Familie Murith etwas kühlere Luft zu geniessen. Wer in ihrem charmanten Bed and Breakfast wohnt, hat die Region La Gruyère mit ihrem einzigartigen kulinarischen Erbe vor der Haustür.

Mittagessen in der Käserei Murith Cheese Dairy
© Swiss Tourism

„Frühstücken wie ein König

Eliane deckt im Blumengarten der Ferme du Bourgoz den Frühstückstisch. Professionell und mit viel Leidenschaft kümmert sie sich um das Bed and Breakfast. Kein Wunder, sind alle Zimmer belegt!

Hausgemachte Konfitüren aus schwarzen Kirschen, Aprikosen, Brombeeren und Cassis zeugen von Elianes Vorliebe für die hofeigenen Qualitäts-Produkte. Auch die anderen Produkte auf dem Frühstückstisch sind schlicht und einfach – fein. Die legendären Käse, der Gruyère AOP und der Vacherin AOP aus ihrer eigenen Käserei im Alp-Chalet, Eier vom Hof und saisonale Überraschungen sorgen für ein währschaftes Morgenmahl. Bis hin zum Blumensujet auf der Butter ist alles mit grosser Liebe zum Detail arrangiert.

Während sich die morgendlichen Wolkenschleier um den Berg Dent de Broc auflösen, nehmen die ersten Feriengäste am Tisch Platz. Ihr Lächeln spricht Bände, und tatsächlich kündigt sich ein strahlender Sommertag an. Dazu die hübsche Dekoration, die ebenso moderne wie gemütliche Atmosphäre, dann diese Nähe zur Natur und die Aussicht auf einen speziellen Ausflug – was wird man in der Alp-Käserei wohl erleben? Viele schöne Gründe zur Vorfreude!

Nach der Übernachtung in der Ferme du Bourgoz will eine Familie aus Boston von einem exklusiven Ausflug profitieren – nämlich von einem Besuch in einem der drei Alp-Chalets ihrer Gastgeber! Jacques und Alexandre, Ehemann und Sohn von Eliane, stellen in ihrer einfachen Käserei dort oben jeden Tag zwei Laibe des legendären Gruyère AOP her. Die Gelegenheit, hautnah bei der manuellen Käseherstellung dabei zu sein, bieten sie exklusiv ihren Bed-and-Breakfast-Gästen. Dafür können sie sich Zeit nehmen, diese bis ins 12. Jahrhundert zurückgehende traditionelle Käseherstellung den Amerikanern zu erklären.

Nach einem letzten knusprigen Confi-Brot ist es Zeit zum Aufbruch. Die Alp ruft!

Die Jahreszeit der Alp-Käserei

Während des ganzen Sommers und je nach Wetter verschieben Alexandre und sein Vater ihre Kühe von einem Chalet zum andern. Die Tiere weiden dort in einem langjährig bewährten Turnus.

Im Mai beginnt die Alpsaison mit der traditionellen Poya, dem Alpaufzug. Die Herde steigt auf zu La Provêta d’Avau, ein von Holzschindeln gedecktes Alp-Chalet aus dem Jahr 1891. Am Käsereienlehrpfad gelegen, bietet sich hier ein fantastischer Blick auf die Natur und die Umgebung.

Wenn die Weiden nicht mehr genügend Gras hergeben, zieht die Familie mit dem Vieh weiter hinauf zum Chalet Le Commun. Dieses ist architektonisch ebenfalls typisch für die Freiburger Alp-Chalets. Ab anfangs Juli bis Mitte August grasen die Kühe und Ziegen auf 1455 m.ü.M. beim Chalet du Tsermon. Danach werden noch einmal Le Commun und La Provêta beweidet, bevor Menschen und Tiere anfangs Oktober ins Tal zurückkehren. 

Ganz im Gegensatz zum bekannten und oft verklärten Postkarten-Image ist das Leben auf der Alp und die harte Arbeit in der Käserei wenig romantisch. Der einsame Senne in perfekter Harmonie mit dem Berg existiert nicht. In Wirklichkeit dreht sich im Alpsommer alles um den Kraftakt der ganzen Familie, um harte, gnadenlos vom Wetter abhängige Arbeit, um manchmal sehr tiefe Temperaturen oder um Trockenheit.

Doch Strapazen hin oder her: Die Freiburger Sennerinnen und Senner halten an der seit Generationen überlieferten Tradition fest, der Herstellung von Käse auf der Alp. Warum wohl?

Ist es die pure Schönheit der hundertjährigen Handgriffe des Käsers? Das intensive Gefühl einer engen Zusammenarbeit mit der Natur? Das Anpassen des Tagesrhythmus an die Sonne? Die Nähe zu den Elementen, dem Wasser, dem Feuer, der Luft und der Erde? Oder das Wissen darum, mit ihrer Käserei auf der Alp zum Erhalt einer so alten Tradition beizutragen.

Was immer es ist, vermutlich findet jede und jeder eine ganz persönliche Entschädigung für die Mühsal und den Mangel an Komfort während der langen Sommerwochen.

Der Alpabzug

Die letzte Etappe des Alpsommers ist der Alpabzug, im Freiburger Patois (Dialekt) Rindyà genannt. Er setzt einen Punkt hinter die Alpsaison und die Käserei auf der Alp… einen Höhepunkt! Kühe und Jungtiere werden mit Papierblumen geschmückt, manche tragen gar ein kleines Tännchen – wie eine Krone – auf dem Kopf. In einem festlichen Umzug schreiten sie bis zu ihrem Hof im Tal. Mit lautem Geläute verkünden ihre Treicheln den grossen Auftritt. Im Dorf lehnen sich die Einwohner aus den Fenstern, alle Arbeit ruht. Automobilisten und Velofahrer halten am Strassenrand an und schauen zu, wie die Tiere vorbeiziehen.

Alpabzug Charmey
© Charmey Tourisme

Der Alpabzug als herbstliche Tradition bedeutet eine Pause im Alltag der Freiburger. So kann es vorkommen, dass sich ein Restaurant im Handumdrehen leert, wenn das festlich geschmückte Vieh durch die Stadt Bulle zieht. Auf den Trottoirs halten Schaulustige mit ihren Smartphones den Augenblick fest und verbinden so eine uralte Tradition mit den Gepflogenheiten von heute.

Die Bauernfamilien und ihre Freunde begleiten die Kuhherden, oft gefolgt von ein paar Ziegen. Manchmal bildet ein Pferdegespann mit Grosseltern und Enkelkindern das Ende des Umzugs.

So wie Marathonläufer während der ganzen Dauer ihres Rennens verpflegt werden, so werden die Alpabzug-Teilnehmenden von der Dorfbevölkerung mit einem Glas Weisswein oder einem durstlöschenden, nicht-alkoholischen Getränk empfangen.

Der Verkehr verlangsamt sich, die Autofahrenden überlassen den Tieren den Vortritt. Die Rindyà erinnert alle daran, dass der Sommer vorbei und es Zeit ist, den ruhigeren Rhythmus der Nachsaison zu übernehmen.

Ein Dorffest

Jeder Bauernbetrieb kann seinen eigenen Alpabzug organisieren, wann es ihm passt. Aber es gibt auch die vorbereiteten Rindyà in Form eines grossen Dorffestes. Die bekanntesten Alpabzüge finden in Albeuve, Charmey, Semsales und Plaffeien statt. Hier erleben Einheimische und Touristen den festlichen und lebhaften Anlass miteinander.

Ein Alpabzug bietet immer auch die wunderbare Gelegenheit, die Freiburger Spezialitäten zu degustieren, so etwa die berühmte Cuchaule AOP, den Schinken aus dem Bauernkamin, selbstverständlich Käse aus vielen Käsereien, allen voran den Gruyère AOP, handwerklich gebraute Biere und andere salzige und süsse Leckerbissen. Mit seinen Nutztieren und den Marktständen mit viel Kunsthandwerk sind diese Anlässe insbesondere bei Familien hoch im Kurs.

Wie bei anderen traditionellen Festen in der Region Freiburg tragen die Männer den Bredzon und die Frauen ihren Dzaquillon. Diese Trachten bilden ein Stück der Identität der Sennen und Sennerinnen und werden bis heute mit Stolz getragen.

Eine App für das Freiburger Patois

Zwischen 5’000 und 6’000 Personen sprechen heute noch Freiburger Patois. Der vor allem in landwirtschaftlichen Kreisen, also auf Bauernbetrieben, in Alp-Chalets und Käsereien, noch gut verankerte Dialekt erfährt seit einigen Jahren zunehmendes Interesse. Speziell junge Menschen, allen voran aus der Region La Gruyère, sind offenbar gewillt, dieses reiche immaterielle Erbe ihrer Heimat zu erhalten.

Die App Dikchenéro, welche man im Apple Store oder fürs Android System unter Google Play gratis herunterladen kann, versorgt Interessierte mit einem kostenlosen Wörterbuch Französisch – Patois / Patois – Französisch. Ein Muss für alle, welche die Region und ihre Bräuche besser verstehen wollen… im wahrsten Sinne des Wortes!

Freiburger Patois, wie tönt das?

Klicken Sie auf die Website der Patoisants und spitzen Sie die Ohren!

Ein unvergesslicher Besuch in der Alp-Käserei

So weit oben liegt die Alp-Käserei der Familie Murith! Mit kritischem Blick mustern die Amerikaner Scott, Lindsay und ihre Kinder Molly und Logan den steilen Weg hinauf zum Chalet und den gegenüberliegenden Moléson, Wahrzeichen und Freizeitberg der Region Freiburg. Eine halbe Stunde später stehen sie auf der Schwelle des „Trintsâbyo“, wie der Raum mit dem kupfernen Käse-Kessi im Greyerzer Patois heisst. Die Alp-Käserei der Familie Murith! Das Holzfeuer knistert, während Jacques Murith die geronnene Milch, den sogenannten Käsebruch umrührt.

Wenn die 800 Liter umfassende Masse eine Temperatur von 56°C erreicht hat, ist es Zeit, den Käse herauszuheben. Alexandre kühlt ein paar Momente lang seine Arme unter eiskaltem Quellwasser. Nun ist er bereit anzupacken, so wie es die Sennen (oder auf Greyerzer Patois Armailli) in ihren Alp-Käsereien seit Jahrhunderten tun.

Käserei Murith
© Swiss Tourism

Während sein Vater zwei Ecken des Tuches hält, taucht Alexandre seine Hände bis zum Boden des Käse-Kessis und zieht den Stoff in Position. Der erste Laib Gruyère d’alpage AOP steigt zur Oberfläche. Fast erinnert die Szene ans Herausholen eines vollen Fischernetzes! Heisser Dampf mischt sich mit dem bläulichen Rauch des Holzfeuers.

Mit Hilfe einer Hebevorrichtung holen die Sennen den Käsebruch aus dem Kessi und füllen ihn in eine runde Form. Mit geübten Handgriffen sorgt Alexandre dafür, dass die Käsemasse schön fest im Tuch eingeschlossen ist, bevor sie gepresst wird. In den nächsten 24 Stunden wird der Käse unter der Presse sechs Mal gewendet, damit er eine perfekte Form erhält. Anschliessend wird er für rund 20 Stunden in ein Salzbad gelegt. Da die Alp-Käserei beschränkt Platz hat, erfolgt die Reifung in einem Keller im Tal.

Von der Türschwelle aus beobachten die amerikanischen Kinder die Vorgänge in der Alp-Käserei. Nicht eine Sekunde dieses Spektakels wollen sie verpassen. Und Mutter Lindsay wundert sich, wie viel Handarbeit heute noch im Alpkäse steckt: „Ich dachte, es sei viel mehr industrialisiert!“

Draussen warten die Schweinchen ungeduldig auf ihre Ration Molke. Während die durchscheinende Flüssigkeit in die Futtertröge rinnt, drängeln sie sich Rüssel an Rüssel in Position. Ihr lautes Schmatzen wird nur vom Lachen der Kinder übertönt. 

Doppelrahm im Käserei-Kübeli

Wer arbeitet, verdient auch eine Pause. Es ist Zeit für einen Kaffee mit Doppelrahm. Jacques und seine Schwiegertochter Charline teilen diesen Moment gerne mit ihren amerikanischen Gästen. Der Tisch und die Bänke aus sonnenverbranntem Holz sind draussen vor der Alp-Käserei platziert, damit man die spektakuläre Aussicht und die frische Bergluft so richtig geniessen kann. „Hier isst man den Doppelrahm mit einem Holzlöffel“, erklärt der Käser und schiebt das Kübeli seinen Tischgefährten zu.

Käseherstellung
© Swiss Tourism

Früher war es so, dass im Alpchalet jeder seinen eigenen, aus Ahornholz geschnitzten Löffel hatte. Und zwar mit einem Sujet verziert, welches seine Aufgabe abbildete: Eine Kuh für den Hirten, ein Käse-Chessi für den Käser der Alp-Käserei, ein Maulesel für den Barlatè (Freiburger Patois für denjenigen, der per Maulesel die Käselaibe von der Alp ins Tal transportiert).

Heute zieren die Holzlöffel oft auch zeitgemässe Dekorationen. Aber immer noch stellt der breite Stiel des Löffels sicher, dass dieser selbst mit einer schweren Ladung Doppelrahm gut in der Hand liegt. Scott schneidet eine grosse Scheibe des Käses ab und teilt den köstlichen Gruyère AOP mit seinen Kindern. Zusammen geniessen sie die Gemütlichkeit und die Einfachheit, wie sie in den Freiburger Chalets, den Alp-Käsereien und Berghütten so typisch ist.

Erinnerungen an eine andere Zeit

Jacques teilt ein paar Erinnerungen von der Alp-Käserei: „Vor 50 Jahren bot unser Speiseplan nur wenig Abwechslung, alles war sehr einfach“.

  • Polenta auf dem Holzfeuer
  • Gemüsesuppe
  • Älplermaccaroni
  • Brot
  • Milch mit Zichorie (als Kaffeeersatz)
  • Frischen Ziger (Sérac), manchmal in Molke eingeweicht
  • Selten Käse, denn dieser war für den Verkauf

Nach dem Melken wurde meist der bouèbo (Alpbursche) beauftragt, das Frühstück zu machen. Dazu musste er die Milch über dem Feuer wärmen. Dabei galt es aufzupassen, dass die Milch nicht überkocht und über den Chessirand ins Feuer gerät. Hiervon stammt übrigens der Freiburger Begriff: „Ne pas laisser aller le lait au feu, also die Milch nicht ins Feuer gehen lassen.“

Wenig Besteck war nötig, ein Holzlöffel und ein Messer reichten. Heute ist alles anders. Kaum ein Senne wird nicht regelmässig von seiner Familie verpflegt. Und da er auch regelmässig zum Hof im Tal zurückkehrt, holt er sich einfach, was im Alp-Chalet oder in der Alp-Käserei grad fehlt.

Käserei-Rezept für einen Gruyère d’Alpage AOP

Der Gruyère d’Alpage AOP wird in 53 Chalets oder Alp-Käsereien produziert, verteilt über die Kantone Freiburg, Neuenburg, Waadt, Bern und Jura. Sein Geschmack variiert je nach Alp-Gelände, Käser, Käserei und Reifeprozess.

Die abends gemolkene Milch ruht über Nacht; während dieser natürlichen Abkühlung steigt der Rahm an die Oberfläche. Dieser wird abgeschöpft, bevor die Masse mit der Morgenmilch vermischt wird. In der Alp-Käserei wird die Milch anschliessend über dem Feuer kontinuierlich gerührt, bis sie eine Temperatur von 32°C erreicht.

Mit Hilfe der zugeführten Bakterien-Kulturen und des Labs gerinnt die Milch, sie wird also dick. Diese Masse, den Käsebruch, zerschneidet man mit der „Käseharfe“ einem speziellen Metall-Werkzeug. Dann erhöht der Käser die Temperatur, um die Käsekörner bis zur gewünschten Textur zu erhärten. Wenn der Käse herausgehoben ist, bleibt nur noch die Molke im Chessi.

Der Geschmack der Molke

Das Lab, ein natürliches Erzeugnis aus dem Kalbmagen, lässt die Milch gerinnen und zu Käsebruch werden. Die dabei entstehende Restflüssigkeit ist die Molke. Weder Farbe noch Geruch dieser grünlich-gelben, halb durchsichtigen Flüssigkeit ist auf den ersten Blick appetitanregend.

Die Familie Murith bietet ihren Besuchern in der Alp-Käserei unweigerlich eine Tasse Molke an. Ihr Geschmack erinnert vage an Milch, ist aber nicht so geschmeidig, dazu leicht säuerlich, was oft nur dem geübten Gaumen gefällt. Und doch! Das süsse Milchserum enthält ungeahnte Kräfte. Aus rund 94% Wasser und 4 bis 5% Laktose bestehend, enthält sie kaum Fett, aber zahlreiche essentielle Substanzen:

  • Proteine
  • Sehr viel Vitamin B12
  • Phosphor
  • Kalzium 
  • Magnesium
  • Eisen
  • Kalium
  • Zink

Aber Achtung, frische Molke hält sich nur zwei Stunden, man muss sie daher pasteurisieren.

Käserei Murith
© Swiss tourism

Wussten Sie das? Molke hat die Entwickler eines äusserst typischen Schweizer Getränkes inspiriert: Rivella. Dieses Erfrischungsgetränk basiert auf Milchserum und einer geheimen Mischung aus Früchten und Kräutern. Sein Geschmack ist seit 1952 einzigartig und von Schweizern überaus geschätzt.

Für die jungen Amerikaner in der Alp-Käserei ist aber nicht die Molke, sondern der hausgemachte Holundersirup der Hit: „Oh, das trinken wir zum ersten Mal, in den USA gibt’s das nicht!“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Bleiben Sie über unsere Aktivitäten informiert

Erhalten Sie alle neuen Artikel direkt per E-Mail